Nicht ohne mein Schnitzel
Sonntag, 21. Oktober 2007
Flenders

So nun bin ich in Kuala Lumpur. Mit Supermoderner Schwebebahn geht´s zur Gepäckabholung. In sage und schreibe 3 Minuten. Das heisst Herr Stoiber:" Das Gepäckband ist quasi im Flughafen und kann auch da abgeholt werden. Also die Passagier, äh der Koffer. Weil das ja auch klar ist. Dass das Gepäck im Flughafen abgeholt werden kann." Also in dem Punkt haben die Malaien schon mal gegen uns gewonnen. Eindeutig verloren haben sie aber an Körpergröße und Bauchumfang. Ich komme mir zum Ersten Mal in meinem Leben vor, wie Conan der Barbar. Erst recht als ich mir die Ersten Thunfisch Sandwichs reinhaue. Die Verkäuferin schaut mich an, als würde ich Kinder essen. Von denen sind einiger Erwachsene Malaien auch nicht gerade leicht zu unterscheiden. Alle, egal ob Mann Frau oder Jugendliche, haben in etwa das durchgängige Gardemaß von 1,66m und Oberkörper ähnlich wie die Buben aus dem Konfirmandenchor.
Ich begebe mich zum nächsten Starbuchs. Bin ja mal gespannt, ob die Menschen hier wirklich so freundlich und nett sind, wie sie alle sagen und schreiben. Wenn es nach den Reiseführen geht, dann sind ja hier alle hier, egal ob reich oder arm, ob doof oder schlau, aber so was von freundlich. So freundlich, dass man sich das gar nicht vorstellen kann, wie freundlich die hier sind. Freundlicher als die Freundlichkeit selbst. Bevor ich mir diese ungeahnte Freundlichkeit näher betrachte, babbelt mich gleich auch schon die Erste „freundlich“ von der Seite an. Gerade als ich dabei bin mich in dieses Internet ein zu wählen, springt unter meinem Tisch auch schon eine 1,66 Malaiin in schäbigen Klamotten hervor. Reflexartig greife ich zudem was mir die Tante am Frankfurter Schalter noch an Koffer gelassen hat.
„Hello, do you want help?“ piepst es im schwerverständlichen Englisch unter mir hervor. He?.Help? Ach Das ist aber nett. Hilfe kann ich wirklich gebrauchen. Ich komme nämlich nicht ins Internet. Unglaublich nett dir Leute hier.
„Yes I need help. I can’t connect to the internet.”
“Yes, Yes” piepst es.
Statt mir aber die richtigen Proxi Einstellungen in meinem Firefox einzurichten, hält mir das Mädel erstmal ein vergilbtes Papier mit übergroßer Telefonnr., Bankleitzahl und Kontonr., sowie passend traurig reinblickenden Kindern unter die Nase. Spitze! Kaum angekommen und da wollen die freundlichsten Menschen seit Menschengedenken mir auch schon was aufschwätzen. 5 Minuten werde ich mit aller erdenklichen Facts über das Leben der Kinder, der Tiere und alles andere Schlimme hier in Malaysia konfrontiert. Ob ich nicht eine Patenschaft wolle?
„I am already staying in Kuala Lumpur for two Minutes. Please, firstly let me breath out and than we go on with rest. Okey Dokey?” Das immer kleiner werdende Ding schaut mich in etwa so verwirrt an, wie ein Hamster dem man gerade mit voller Wucht auf den Kopf geschlagen hat. Sie hat anscheinend gedacht, ich helfe gleich dem ganzen Stamm.
„So, you don’t want to help children?” Wimmert Sie in stotternder Stimme. Also, so kann man das jetzt eigentlich nicht sagen. Bin ja sonst auch großzügig. Kaufe ja immer die Odachlosenzeitung am Bahnhof und so. Aber gleich so eine ganze Patenschaft. Ich weiß nicht. Ich komme jetzt echt ins grübeln. Fühle mich jetzt fast mies. Ich überleg kurz, komme dann zu folgender Entscheidung:
„Hm Yes. You are right. I don’t want to help children. First I need to help meeee. Du versteh.”
Pauf!. Das hat gewirkt. Ein kurzes „See you“ und dann war sie auch schon wieder weg.

Nach mehreren missglückten Einwählversuchen werde ich auch schon vom meinen deutschen Praktikums-Kollegen Matthias abgeholt. Er ist etwa 1.90m groß, ebenfalls sau dünn trägt graue deutsche Einheitskleidung und eine Null-Acht-Fünzehn Zwiebel Frisur mit hochgestellten Haaren. Also typisch unauffälig normal. Matthias schaut gleich etwas verwirrt auf meine Imitat-Krokodil-Cowboystiefel, wendet seinen Blick aber gleich mir entgegen.
„Servus, ich bin Matthias. Guten Flug gehabt?“
„Ja danke. Verging wie im Flug.“ Irgendwie findet er diesen Brüller nicht so lustig wie ich. Ich glaube er hat ihn nicht mal verstanden.
„Sorry, dass ich zu spät komme. Ich…“
„Ja, ja schon klar. Gestern zu lange in der Disco.“ unterbreche ich ihn.
„Ne, ne. Komme gerade vom arbeiten. War noch bei einem unserer Händler.“
„Samstags?“ Das kann ja heiter werden.
„Ja, ja. Wenn man erstmal so im Flow drin ist, dann kommt man dar ganz schwer raus.“
„Ach so der Flow.“ Ich glaube eher der hat einen Floh. Auf der Fahrt in mein Appartment bekomme ich gleich die ersten Insiderfacts von Kuala Lumpur und vor allem von der Arbeit erzählt.
„Weißt Du wenn Du freundlich zu denen bist, dann sind die auch freundlich zu Dir.“ Ach joa. Das ist ja ein Ding. Die freundlichsten Menschen seit Menschengedenken, sind freundlich zu mir wenn ich auch freundlich zu denen bin. Das ist ja mal was ganz Neues.
„Deine Vorgängerin hat sich nämlich total abgekapselt. Und ist immer pünktlich gegangen und so. Hat zwar alles erledigt was man ihr gesagt hat, aber auch nicht mehr.“ Es scheint als hätte ich mir da ein richtiges kleines, vorbildliches Streberfrüchtchen als Arbeitskollege geangelt. Ich werde jetzt mal versuchen ihn mal auf andere Gedanken zubringen und vielleicht ein bisschen den versteckten Tiger in ihm herauszulocken.
„Wie sieht’s aus. Wo gehen wir heute Abend denn hin? Wie sind die Clubs denn hier so?“
„Ach, Du. Der Tim wird mit Dir heute Abend erstmal Little India zeigen und mit Dir was Essen gehen. Ob ich mitkomme weiß ich noch nicht. Muss ja morgen auch wieder früh raus.“ Früh raus der wird doch morgen nicht auch noch arbeiten wollen?
„Wie früh raus? Arbeitest Du komplett hier durch?“
„Ha, ha. Nee, Nee. Will morgen in die Kirche. Da muss ich fit sein.“
„Hä? Was machst Du denn in der Kirche?“
„Nun ja ich treffe mich mit Freunden. Und zeigen denen was wir Deutschen Christen so machen.“ Das wird ja immer besser.
„Du verschaukelst mich gerade?“
„Ja weißt Du, wenn man das öfters macht und Du merkst das dir das was bringt, dann..“
„Ach komm hör auf. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis der in die Kirche geht. Ich glaube nicht mal mehr meine Oma war da die letzten 10 Jahre.“ Das mit dem Tiger in ihm wecken, ging ja mal richtig nach hinten los. Wie biegen in unser kleine Siedlung. 5 Blocks mit je 17 Stockwerken bilden einen Komplex. Komplettiert wird das ganze durch Swimmingpool, kleinem Fitness-Studio, Kiosk und Wäscherei. Zimmer sind auch OK. Bude habe ich vorerst allein. Tim und Matthias wohnen im andere Komplex und haben ihre eigenes Appartment. Ich kann mich nicht beklagen.

Abends werde ich dann von Tim erstmal in die feine Indische Küche eingeweiht. Matthias den ich ab sofort nur noch „Flenders“ nenne ist auch dabei. Wir betreten das Restaurant. Es sind ausschließlich Inder und ein chinesisches Ehepaar hier. Als wir das Restaurant betreten werden wir angeschaut wie Affenmenschen. Und genauso wird hier auch gegessen. Auf Palmenblätter gibt’s Huhn mit Reis, einer undefinierbaren Pampe darauf und noch ein bissje Gemüs. Gegessen wird wie der Homo Sapiens höchst persönlich, mit der bloßen rechten Hand.
"Und nur mit der. Das mache alle Hindus so. Die linke Hand ist beim Essen Tabu." Klärt mich Flenders auf. Mit der Rechten wird dafür anscheinend alles das gemacht was Spaß und dreckig macht. Also das heißt, ich sollte mich theoretisch gleich mal bei bestimmten Tätigkeiten umgewöhnen. Ich überlege was passieren würde, wenn ich komplett meine letzte Reispampe mit Links Essen würde: Werde ich dann vom Blitz getroffen oder schmeckt dann alles einfach nur würziger? Tom stößt mich im selben Moment, bei Klärung dieser interessanten Überlegung an um mir die Punkt Regel der Indischen Frauen zu erklären.
„Rot heißt ledig, schwarz verheiratet.“
„Ach ja und wieso schauen diese schwarzgepunkteten Elstern uns die ganze Zeit in die Augen als würden wir ihr Mittagessen aufessen?“
„Sind halt auch nur Menschen. Weißer Mann ist halt immer interessant. Komme auch nicht immer so viele hierein“ antwortetet Tom.
„Verständlich. Gibt es auch noch andere Punkte? Zum Beispiel pink, türkis oder gelb für schwule, Ladyboys und Sonstige. Das wäre doch echt mal praktisch. So wären sofort alle Bedenken ausgeräumt und jeder weiß Bescheid was er mag und was nicht, bzw. Sie oder Es.“ ergänze ich. Die Reaktionen von Tom auf meinen Verbesserungsvorschlag halten sich in Grenzen. Flenders schüttelt nur mit dem Kopf.
„Jede Religion hat ihre Daseinsberechtigung.“ lehrt mich Flenders.
„Ja klar. So was das auch nicht gemeint. Wollte jetzt auch nicht den kompletten Hinduismus durcheinander bringen.“ Während ich vergeblich versuche Flenders beizubringen, dass meine letzten Worte nicht so ganz ernst zunehmen sind, stockt mein Kleinhirn und meldet einen undefinierbaren härteren Widerstand. Er fühlt sich leicht kantig aber dennoch sehr dünn und gebogen an. Hm. Also entweder ist das jetzt ein von mir abgebrochener Fingernagel oder der vom Kellner? Ach ich will es, wie so viele Dinge hier gar nicht wissen und esse einfach weiter. Augen zu und durch.